Luftangriff am 3. 2. 1945 auf Berlin

Erlebt in der Frankfurter Allee

Aufgeschrieben von Hildegard Halpaap, geb. Garbe

Oscar Garbe, mein Großvater, hat das Haus Frankfurter Allee 57, heute 40, für sich, seine Familie und sein Baugeschäft bauen lassen.

Dort bin ich als Enkelin von Oscar und Eleonore Garbe und als Tochter von Ernst und Dora Garbe am 24. Oktober 1918 zusammen mit meiner Zwillingsschwester geboren worden. Heute bin ich die einzige Überlebende dieser Generation, die nur aus 3 Töchtern von Ernst und einer von Oscar Garbe jr. bestand.

Der 2. Weltkrieg ging dramatisch seinem Ende entgegen. Die Luftstreitkräfte der Alliierten flogen ihre Angriffe mit vermehrter Gewalt, besonders auf die Hauptstadt, in welcher schon der Geschützdonner der Ostfront zu hören war.

Dieser 3. Februar 1945 sollte mein Hochzeitstag werden. Ich heiratete Herbert Halpaap, Student der Pharmazie und Chemie.

Mein Verlobter war am Vorabend mit seiner Mutter aus Leipzig gekommen, wo er bei einer Studentenkompagnie Dienst tat. Schon in der Nacht hatte es einen Angriff gegeben, der in sichtbarer Nähe nicht allzuviel Schaden angerichtet hatte.

Es wurde ein frostfreier, etwas sonniger Tag. In unserer Wohnung bereiteten die Mütter die Hochzeitsfeier vor, als uns die Sirenen wieder in den Keller trieben.

Es folgte der schlimmste Angriff des Krieges, und die Bomben schlugen in nächster Nähe ein. Die zerstörerische Kraft der Sprengbomben wurde durch die Brandbomben, die die Stadt überschütteten, noch verstärkt.

Wieder hatten wir Glück, das Haus war stehen geblieben, aber alle Fenster und Türen waren aus den Angeln gebrochen und zerschlagen. Es gelang meinem Verlobten auf dem Dachboden zwei Brandbomben zu löschen.

Inzwischen war die Zeit für unsere Trauung herangekommen. Die Straßen lagen voller Schutt, so daß Busse, Bahnen und Autos nicht fahren konnten. Wir machten uns zu Fuß auf den Weg zu dem etwa 3 km entfernten Standesamt im Rathaus Friedrichshain.

Von den vorgesehenen Trauzeugen konnte uns nur meine Zwillingsschwester begleiten. Mein Onkel Oscar reparierte indessen provisorisch die Haustür.

Je mehr wir nach Westen zur Stadtmitte kamen, umso dichter wurden die Brände. Überall Rauch und Hitze. Wir liefen im 'Jogging' hintereinander in der Straßenmitte, die Blicke nach oben, um herabfallenden, brennenden Balken ausweichen zu können.

Zu unserer Erleichterung stand das rote Gebäude des Standesamtes noch, und der Standesbeamte tat seinen Dienst. Auch hier waren Fenster und Türen zerstört, wir ergriffen die Tür zum Trauzimmer und hielten sie in den Türrahmen, um den starken Wind, der durch den Trauungssaal blies, einzudämmen.

Danach waren wir an der Reihe, getraut zu werden. Diesmal hielten die Trauzeugen des gerade frisch vermählten Ehepaares die Tür in den offenen Rahmen, und der junge Ehemann wurde unser 2. Trauzeuge. Nach unserer Trauung bat uns der Standesbeamte, möglichst schnell das Amt zu verlassen, da im Hofe noch Blindgänger lägen.

Der Rückweg verlief, wie der Hinweg, immer unter brennenden Trümmern hindurch.

Das Feuer breitete sich immer weiter von Westen nach Osten aus und ergriff eins nach dem anderen der nicht schon durch Sprengbomben zerstörten Häuser.

Wie andere weite Gebiete der Stadt, war auch die ganze Frankfurter Allee ein Feuermeer. Das reichte an der Südseite der Allee bis zu uns.

Wie man heute noch sehen kann, war unser Haus das erste, das stehen blieb.

Mein Mann organisierte eine Eimerkette der Bewohner und wir mühten uns stundenlang ab, das Feuer zu löschen. Soviel Eimer, wie gebraucht wurden, konnten nicht bereitgestanden haben. Gleich um die Ecke in der Mainzer Straße befand sich eine Pumpe, woher das Wasser geholt worden ist.

Die Druckwelle der nahen Bombeneinschläge hatte alle Fenster zerschlagen. Der durch das Feuer erzeugte Luftzug zog die Gardinen nach draußen, wo Funken sie zu entzünden drohten. Deshalb rissen wir die Gardinen von den Fenstern und verhinderten auf diese Weise, daß das Haus doch noch in Brand geriet.

Das Feuer hatte unser Haus erst gegen die Mittagszeit etwa 14 Uhr, viele Stunden nach dem Angriff erreicht. Wir mußten den ganzen Tag über immer wieder löschen, und hätten es letztendlich trotzdem nicht geschafft, das Haus zu retten, wäre nicht gegen abend die Feuerwehr doch noch gekommen. Die Feuerwehrleute brachten das Feuer endgültig zum Stillstand.

Den Rest der Nacht blieben wir im Keller und tranken Hochzeitswein aus der Flasche, während oben in unserer Wohnung die kostbaren Kristallgläser zerbrochen auf dem Tisch und auf dem Fußboden lagen.

• Broschiert: 452 Seiten
• Verlag: Books on Demand GmbH (Juli 2006)
• ISBN-10: 3833446838
• ISBN-13: 978-3833446832